Kreuzberg.
Marcus Staiger gründete das Indie-Label ROYAL BUNKER, auf dem Künstler wie Kool Savas, Sido, Eko Fresh, Prinz Pi oder K.I.Z. Erfolge feierten. Doch Staiger hört auch gerne mal eine Punkrock Platte und widersetzt sich der Willkür des Deutschen Staates. Das komm davon, wenn man mal Punkwesen studiert hat. Hammed Khamis hat sich mit ihm zu einem Gespräch für das DBB-Magazin getroffen:
DBB: Was arbeitest du alles? Sollst ja auch mal Koch gewesen sein. Leiharbeiter? Kann man sich den Staiger immer noch ausleihen? Postbote warst du auch mal. Das wünschten sich bestimmt einige. Was ist dein Beruf?
MS: Das kann ich nicht genau sagen, weil Schriftstellerei und Journalismus und Kletterei jeweils 50% meiner Zeit beanspruchen.
DBB: Was würdest du denn antworten, wenn du eine Frau kennen lernen würdest und sie dich das fragt?
MS: Ich glaube, dass ich Industriekletterer sagen würde. Klingt doch ein wenig abenteuerlich, oder?
DBB: Okay, ich mache es mir jetzt ganz einfach. Was soll ich hinschreiben?
MS: Industriekletterer.
DBB: Marcus, du machst immer Sachen, die mich an die Punker aus meiner Kindheit erinnern. Bist du ein Punker? Was ist aus deiner Sicht ein Punker?
MS: Ich würde JA sagen, denn ich stehe auf diese Do-it-yourself-Attitüde. Daraus entstand damals auch das Royal Bunker-Label . Wenn man keinen Plattenvertrag bekam, dann macht man eben alles selber.
DBB: Richtige Punker haben immer was auf’m Kerbholz. Hast du schon mal unter ner Brücke geschlafen?
MS: Nein. Warum sollte ich.
DBB: Aber das wäre doch mal ne Aktion für dich? Staiger macht eine Woche Platte. Kannst dadurch den Menschen zeigen wie es 30.000 Obdachlosen hier in Berlin geht.
MS: Darüber denke ich mal nach.
DBB: Es gibt viele Punktypen, Anarchie, Homos, Hipster, und auch Vampire. Welcher bist du ?
MS: Da sehe ich mich nicht wirklich irgendwo. Ich finde es einfach nur gut, mal etwas kaputt zu machen. Man muss sich nicht immer alles diktieren lassen.
DBB: Du bist damals zu einer recht heftigen Demo ini die Türkei geflogen bist. Da habe ich mir gedacht „Der kommt nicht wieder“ Was gab es da für dich?
MS: Wir haben uns mit Leuten der marxistischen DHKP-C getroffen. Eigentlich eine verbotene Partei. Die kontrollieren dort bestimmte Stadtteile. Gegen Gentrifizierung halt. Wir wollten die ein wenig unterstützen. Das sind übrigens richtige Kommunisten.
DBB: Weißt du, dass das Wort “Kommunist” unter Türken so viel wiegt, wie das Wort Hurensohn?
MS: Das kommt immer drauf an, welchen Kreis man sich bewegt. Ich war ja bei den richtigen Kommunisten, nicht bei denen, die andere damit beleidigen wollen einer zu sein.
Hattest du keine Angst verhaftet zu werden? Wie heiß der eine, der wegen dem Stein im Koffer verhaftet wurde gleich noch? Marco Weiß?
MS: (lacht) Einmal war es echt knapp, als es im Istanbuler Stadtteil “Sisli” geknallt hatte. Wenn die Bullen uns Hops genommen hätten, hätte mir mein Presseausweis auch nichts mehr gebracht.
DBB: Im Sommer 2014 haben Flüchtlinge an der Ohlauerstraße in Kreuzberg eine Schule besetzt. Der erste, den ich in den Medien dort gesehen habe, warst du. Du hast ja sogar in der Sitzblockade mit gesessen. Drei Beamte haben dich dort nicht dort wegbekommen. Dafür kriegt man doch bestimmt eine Anzeige. Was treibt dich an so etwas zu tun?
MS: Über meine Reportage für das Vice-Magazin habe ich viele Flüchtlinge kennengelernt. Ihre persönlichen Schicksale sind schrecklich. Was mich aber am meisten stört, ist, dass hier fein sauber aussortiert werden. Für die Kommune gibt es gute und weniger gute Fluchtgründe. Aus meiner Sicht darf man einen Armutsflüchtling nicht von einem Kriegsflüchtling unterscheiden.
DBB: Und dann bist du einfach da hin und hast dich an den Eingang angekettet?
MS: Nein, son Uninn. Das entstand spontan.
DBB: Die Bullen waren zu dritt. Da hat das sich er auch was gebracht, dass du ein guter Ringkämpfer bist? Hast du dennoch welche reinbekommen? Einmal sah es echt gemein aus, wie se dich in die Mangel genommen haben.
MS: (lacht) Die fangen dann an so ins Auge rein zu drücken.
DBB: Und? Anzeige?
MS: Nein, sie haben nur meine Daten Erfasst. Die haben kein Bock darauf, dass ich das veröffentliche. Wir wollten den Verantwortlichen nur zeigen, dass Sie nicht alles machen können. Wir machen es denen durch unsere Aktionen wenigstens schwerer.
EIN PUFF BLEIBT N PUFF. EGAL OB BANDITEN ODER HELL ANGELS.
DBB: Bin selbst auch dort zum Helfen hin. Habe für die Flüchlinge Übersetzt. Damit habe ich aber aufgehört, als ich herausbekommen habe, dass die Jungs das Refugium am Kaiserdamm abgelehnt hatten um in der Schule bleiben zu können, damit sie weiterhin gutes Gras unter die Leute bringen können.
MS: Lass dich nicht täuschen. Das mit dem Refugium war n Trick von der Kommune. Die Unterkünfte am Sophie-Charlotten-Platz sind nach fünf Monaten geschlossen worden. Und die Flüchtlinge sind in ihre sicheren Herkunftsländer abgeschoben worden. Und zweitens, mache ich niemanden einen Vorwurf, dass er Drogen verkauft, wenn er hier nicht arbeiten darf. Selbst, wenn ich es nicht gut finde, dass man Drogen verkauft.
DBB: Okay, anders gefragt.Görli und Hasenheide. Da gibt’s Drogen wie im Supermarkt. 120 Afrikaner sitzen dort herum und verkaufen den ganzen Tag Drogen. was denkst du darüber?
MS: Na, die 120 Afrikaner würden wahrscheinlich sehr viel lieber irgendwo arbeiten und ehrlich ihr Geld verdienen.
DBB: Kann man Flüchtlinge nicht irgendwie integrieren?
MS: Man sagt, dass die kommen um sich in die soziale Hängematte zu legen. Oder sie kommen hier her um uns die Arbeitsplätze zu klauen. Diese Thesen erschweren den ersten Kontakt zu Flüchtlingen.
DBB: Hast du nicht was vergessen?
MS: Ah ja, stimmt. Die kommen auch hier her um unsere Frauen zu ficken.
DBB: Na! Marcus benimm dich! Hast du schon mal was geklaut?
MS: Ich bin kein guter Dieb.
DBB: Du konntest dich bestimmt nicht nie gut verstecken, weil du so lang bist. Thema Pegida. Darf ein Ostdeutscher das selbe über Flüchtlinge denken, wie ein Westdeutscher? Die wären zu DRR-Zeiten ja auch geflohen, wenn sie es gekonnt hätten.
MS: Damals hießen ein Gewissen Berufsstand ja auch noch Fluchthelfer. Heute heißen die Schlepper.
DBB: Was hast du im letzten Jahr mit Marteria in Kenia gemacht?
MS: Wir waren mit der Hilfsorganisation “Viva con Aqua” unterwegs um einen Bericht über Wasserprojekte zu machen. Dadurch wollten wir sie unterstützen.
DBB: Machst du auch etwas Karitatives in Berlin?
MS: Ja, ich beteilige mich gerne am Organisieren einer Suppenküche für Geflüchtete in Kreuzberg.
DBB: Du hast letztes Jahr dein erstes Buch mit dem Titel „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“ veröffentlicht. Worum geht es darin?
MS: Es ist eine fiktive Politikgeschichte, die ich mit Sex und den Klischees um Araberfamilienclans geschmückt habe.
DBB: Wer hat Hip-Hop in Deutschland eingeführt?
MS: Lacht: TOOOORCH!!!
DBB: Ist Torch der Vater des deutschen Hip-Hop? Oder seid ihr beiden vielleicht die Eltern von Hiphop?
MS: Es gibt viele die man nennen kann. Aber wenn ich ehrlich sein muss, dann waren es Ralf Kotthoff und Akim Walta. MZEE war sehr wichtig für deutschen Hip-hop. Akim und Ralf haben sich damals Fatcaps von Haarspray übernommen. Dann haben die eine Firma herausgefunden, die das produziert und in die BRD gebracht. Die Menschen haben sich damals selbst organisiert. Einer hat sich dicke Reifen auf sein Fahhrad gespannt und der andere hat sich Fatlaces besorgt um modern zu sein. Das ist für mich Hiphop.
WIR SIND DAMALS MIT UNSEREN LEBEN ALL IN GEGANGEN. KEINER WUSSTE DAMALS, DASS HIPHOP SO POPULÄR WERDEN WIRD.
DBB: Was ist Journalismus für dich? Was willst du mit deiner Sache bewegen?
MS: Ich kläre da in meiner Arbeit mein Verhältnis zu dieser Welt. Die Dinge, die ich tue, tue ich nicht, damit sie anderen gefallen. Wichtig, ist mir, wie ich sie finde.
DBB: Geilster Moment in deiner Karriere?
MS: Mein 40. Geburtstag gehört sicherlich zu den geilsten Tagen in meinem Leben. Da hatte meine Frau eine Überraschungsparty gestartet. An diesem konnte ich sehr gut sehen, wie viele Menschen mich mögen.
DBB: Du bist sehr eigen in deiner Arbeitsweise. Da muss ich manchmal an Ken Jebsen denken. Was hältst du von ihm?
MS: Er thematisiert immer die selben Themen, wie die deutsche Souveränität. Das zeichnet ihn nicht gerade als guten Journalisten aus. Daher halte ich ihn für nicht besonders schlau.
DBB: Aber er sieht ganz gut aus, oder?
MS: Neee, sieht er nicht. Ken sieht eher aus wie so‘n Echsenmensch, wenn er immer so aggressiv in die Kamera seinen Namen nennt.
DBB: Du verarschst in deinen Interviews gerne Leute. Wer steht auf deiner Abschussliste momentan auf Platz 1?
MS (lacht laut): Ken Jebsen!
DBB: Manchmal hört man einen dummen Kommentar, wenn dein Name fällt. Wie kann man sich mit einem Marcus Staiger in die Haare bekommen, wenn man nicht gerade ein Bereitschaftspolizist ist? Ich versteh das nicht. Es hat dich ja sogar schon jemand niedergestreckt. Erklär das bitte!
MS: Ich weiß nicht, genau, wen du meinst. Aber ich vermute, dass es etwas mit nicht erwiderter Liebe tun hat. Schau mal, Hammed, wenn ich ein Demotape zugeschickt bekomme, und dann mitteile, dass ich es gut finde, dann bin ich immer ganz toll in deren Augen und alle sind dankbar. Aber wenn ich mal sage, dass mir eine Sache nicht gefällt, dann bin ich der größte Otto, voll der Nappel, ein Spast oder was auch immer.
DBB: Nappel? Ist das ein Wort womit man sich in Österreich profiliert?
MS: Nein, Nappel sagt man in Berlin genau wie in FFM Lauch sagt.
DBB: Du thematisierst Homosexualität recht häufig. Einmal habe ich einen Test im Internet gemacht, wie schwul ich bin. Bei dem Ergebnis musste ich an dich denken. Ich hatte nämlich 15% raus. Das hat mich sehr verwirrt.
Wenn ich als Araber 15% habe, wieviel Prozent hat dann Marcus Staiger?
MS: lacht : „60!“
(Foto & Interview: Mohammed Khamis)