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Dicht an dicht

“Der immer gut­gelaunte Sunnyboy, bei dem keiner weiß war er eigentlich macht. Vielleicht Model. Oder Muse. Praktikantin bei einer Agentur oder Azubi bei einer Firma für Production Design. Hier sind sie in all ihren Variationen präsent. Die up­coming und die etablierte Prominenz, die Kaputten und die Unkaputtbaren, die Blender und jene, die leuchten.”

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King Size III.

“Ihr langes Bein ist in die Luft gestreckt. Sie trägt Netzstrümpfe und eine Art Bikini. Die Schuhe sind aus Lack, die Fingernägel sichtbar künstlich und die Haare so blond, dass sie durch die dicken Rauchschwaden glitzern. Sie sind sehr lang. Ihr Bein ist über die Schulter eines Mannes gestreckt, er umarmt ihren Po und guckt sie bewundernd an. Ich kenne ihn, er wollte mich mal heiraten.” Auch Julia Schramm war Gast im legendären King Size. In ihrem 2017 erschienen Text “King Size III.” erzählt sie davon.

Stein und Kugel. Ein Text von Tymon Bugla

Es gibt Leute, die sich für Steine interessieren. Ich habe mal mit einem Geologen ein paar Gläschen Wodka getrunken. Ich tippe in die Suchmaschine alle Einzelheiten ein, die mir an dem Stein auffallen und da steht es: Kalkstein. Und mit ein wenig Gewische finde ich meinen. Es ist ein im Jura entstandener Kalkstein. Ich tippe Jura-Kalkstein in die Suchmaschine.

EIN GESPENSTERBRIEF. EIN TEXT VON JESS TARTAS

Mein liebes Gespenst,
wie geht es dir im Dazwischen? Seitdem es losgegangen ist, du weißt schon, diese Sache seit Januar, März, fühle ich mich dir so nah wie nie. Meine Tage sind Hüllen, in denen ich erwache und zurechtfinden muss; ich stelle mir mein tägliches Erwachen wie frische Gespensterkleidung vor. Ein Laken, das mir jeden Morgen von einem unsichtbaren Wesen übergeworfen wird und in dem ich mich fortan befinde.

Perpetuum mobile. Ein Text von Alexander Graeff

Früher beklagte ich mich immer über meine Fernbeziehung. Ich schrieb herzerweichende Briefe voller Sehnsucht und Was-wäre-wenn-Spekulationen – einmal sogar eine Erzählung, der ich den Tiel Leer gab. Genauso fühlte ich mich nach unserer Begegnung dann oft, leer. Unsere Berufe ließen nicht zu, jedes Wochenende einander besuchen zu können. Mehr noch: der verdammte Beruf war auch der Grund, weshalb er weggezogen war.

WIE WIR HEUTE FREIHEIT NEU ERFINDEN MÜSSTEN. VON SARAH BERGER

Du kannst eine Person nicht ewig lange kennen lernen, ohne mit ihr Sex zu haben, schoss es dir sogleich durch den Kopf beim Lesen des Artikels. Ohne mit ihr Sex zu haben, wirst du sie vielleicht niemals ganz kennen lernen. Ohne sie zu umarmen und ihr durch die Haare zu streichen, ohne sie fest an dich zu drücken, ohne dich ihr ganz und gar hineinzuwürgen. Lann hätte das wissen müssen.

Taubentreten. Eine Geschichte von Jonathan Löffelbein

An einem etwas zu warmen Februarmorgen, um 11 Uhr 24, ereignete es sich, dass H. begann, gut über 300 Tauben zu treten. Natürlich fragten sich die umstehenden Leute auf dem belebten und weitläufigen Marktplatz, was das zu bedeuten hatte. Warum da diese Person auf dem Marktplatz stand und mal sehr gezielt, geradezu bedacht, dann einfach nur wütend und trampelnd und stampfend Tauben zu treten suchte.

Kummeraugen. Ein Text von Carter Katz

Schön, dass du da bist, denke ich und lasse meinen Blick langsam seitlich über deine Konturen gleiten. Ich fühle mich leer. In mir drängt es alles aufzusaugen, jede winzige Kostbarkeit. Das sich unmittelbar in meiner Nähe befindende Gesicht mit allem, was darauf zu sehen möglich ist; die verlorenen roten Äderchen inmitten des schier endlosen Weiß der Augen. Oder der feine Flaum auf den Ohrmuscheln. Der Boden, auf dem wir eng in Decken gewickelt liegen ist hart und nicht unbequem.

Netzwerkstatus disconnected. Ein Text von Julia Knaß

Weinen ist für Lisa wie atmen, aber sie vergisst manchmal, zu essen und sie vergisst manchmal auch Sex, zb für fünf Jahre. Ihre Bedürfnisse schwanken über ihre Gefühle wie über eine morsche Hängebrücke bei Regenwetter. Alles verrutscht andauernd in ihr, alles verfällt und bevor sie es schafft, angemessen zu reagieren, und zb auszuweichen oder sich festzuhalten, befindet sie sich erneut im freien Fall. GAME OVER. REPEAT.

Isoliertes Wesen. Ein Text von Sonja Seidl

Ob er ein Vampir sei, fragte ich, ihn mit meinem Blick dabei verfolgend, wie er mit einer Papiertüte in der Hand vorbeiging, draußen. Ganz in Schwarz. Daran lag es aber nicht. Er begab sich auch ins Tageslicht mit einer Regelmäßigkeit, die daran zweifeln ließ, dass er vampirischen Wesens (Stoker zufolge macht Licht gar nicht so viel aus, es schwächt nur ein bisschen).

Caro Katz
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Reise ins Ausland. Ein Text von Carter Katz

Die Heizung pustet mir viel zu warme Luft ins Gesicht. Ich denke, ich müsste ersticken. Wie das Ding auszuschalten ist, erklärt sich mir nicht. Dann kommt der Einfall, den Kopf aus dem Fenster zu strecken. Ich tue es so gut es eben geht, um währenddessen nicht von der Fahrbahn ab zu geraten. Dabei gebe ich etwas mehr Gas, um mit der Maschine die auf der Fahrbahn schwirrenden Nebelschwalle in großen Löchern zu durchbrechen. Mein Kopf fliegt.